Mittwochmorgen geht es weiter: Richtung Schluchsee, denn den hat man gerade abgelassen, um irgendwelche Wartungsarbeiten durchzuführen, und das wollen wir uns doch mal anschauen. So geht es zunächst zum Bärental und dann auf geradem Weg hin, zum Schluchsee. Der ist aber so leer, daß wir ihn zunächst gar nicht als solchen erkennen, sondern uns bei dem kleinen Bächlein, welches da in der weiten Landschaft so vor sich hinfließt, überhaupt nichts denken. Nur die vielen Restaurants, Campingplätze und schließlich auch der Ort Schluchsee selbst erinnern uns wieder.
Als wir abends auf dem Campingplatz "Schwarzwälder Speck Huisli" in der Nähe von Rothaus ankommen, erleben wir eine Überraschung: Sonja und Thomas sind bereits da und haben ihr Zelt aufgeschlagen. Unseres stellen wir daneben. Auch sie waren wegen des "Erlebnisses" eines abgelassenen Schluchsees hierher gefahren und auch sie waren ebenso enttäuscht von dem Anblick. Es wird ein langer Abend und das Erzählen will kein Ende nehmen. So kommt es, daß wir am nächsten Tag noch gar nicht weiterfahren wollen und deshalb gemeinsam ins Freibad "Schlüchtsee" fahren. Die Sonne scheint herrlich, den geliehenen Schal können wir jetzt auch gleich wieder zurückgeben und es kommt so richtig faule Ferienstimmung auf!
Und es wird über die Weiterfahrt diskutiert: Fahren wir zu viert weiter oder eher nicht. Thomas erzählt beiläufig, daß in Zürich am 1. August Nationalfeiertag ist und am Abend, um Mitternacht, dafür ein großes Feuerwerk am Zürichsee abgebrannt wird. Das reizt uns sehr, dorthin zu fahren, denn wir haben am 2. August Geburtstag zu feiern und ein Feuerwerk zum Geburtstagsauftakt, wäre doch ein echtes Highlight. Sonja hat aber definitiv keine Lust nach Zürich zu fahren und so trennen sich unsere Wege doch wieder. Sprich, wir fahren am nächsten Tag in Richtung Zürich ab.
Zunächst geht es durch das romantische Schwarzatal, in dem es nicht viel Verkehr gibt und das zeitweilig recht eng ist, bis wir in Tiengen aus dem Schwarzwald herauskommen. Die Strecke ist noch weit und so nehmen wir einfach die Bundesstraße 17, als den kürzesten Weg nach Zürich in Kauf. Viel Verkehr ist hier nicht, aber die Sonne brennt und es gibt so gut wie keinen Schatten. Daher entartet die Fahrt hier zu einem ziemlich öden Streckemachen.
Kurz vor Zürich, es ist bereits später Nachmittag, entdecken wir, daß an der Straße - die seit einiger Zeit bereits einen Radweg hat - in regelmäßigen Abständen Kästen montiert sind, die mit einem Fahrrad und einem Werkzeugsymbol gekennzeichnet sind. Sie enthalten genau das, was man vermutet, aber eigentlich kaum zu glauben wagt, denn in Deutschland wären diese Kästen sicher alle leer gewesen.
Und dann steht auf der Straße in großen weißen Lettern "luege". Wieso, fragen wir uns hat eine Straße etwas mit Lügen zu tun? Es dauert relativ lange, bis wir merken, daß das "ue" nicht als "ü" gemeint war und "luege" auf Schwiezerdütsch die Aufforderung war, sich vor dem Queren der Fahrbahn nach Fahrzeugen umzuschauen.
Am Abend haben wir es dann geschafft und unser Zelt auf einem Campingplatz direkt am Zürichsee aufgebaut. Nun müssen wir nur noch bis Mitternacht aufbleiben, um das Feuerwerk zu erleben - was uns nach der Tour ziemlich schwer fällt. Kurz vor dem Termin ist alles noch bedenklich still auf dem Platz und keiner der Camper ist zum Seeufer gegangen. In uns reift die Vermutung heran, daß es kein Feuerwerk geben wird und Thomas' Erzählung in das Reich der Legende zu verweisen ist. Und so geschieht es, daß wir um Punkt 0.00 Uhr todmüde und enttäuscht, völlig allein am finsteren Zürichsee stehen. Wir haben nicht mal ein Glas Sekt, um auf den Geburtstag anzustoßen.
Das holen wir natürlich am nächsten Tag, nachdem wir ausgiebig die Stadt erkundet und den Zürichberg erklommen haben, in einem piekfeinen Restaurant mit allerbestem Ausblick auf den See bei leckersten Zürcher Seefelchen nach! So leicht lassen wir uns einen Geburtstag nicht vermiesen. Es wird übrigens einige Jahre dauern, bis wir erfahren, daß das Feuerwerk - wie jedes Jahr zum Nationalfeiertag - bereits am 31. Juli um Mitternacht auf dem See abgebrannt wurde...
Am 3. August packen wir das Zelt wieder ein und haben uns als Ziel den Rheinfall bei Schaffhausen gesetzt. Manche Leute sagen ja, es wäre kein Rheinfall, sondern ein Reinfall, aber das wollen wir doch gern selbst beurteilen. Dazu führt der kürzeste Weg zum Rhein nordwärts aus der Stadt hinaus, am Flughafen Kloten vorbei, nach Eglisau und weiter nach Flaach. Da es wieder sehr warm und sonnig ist, finden wir bei Flaach direkt am Ufer des Rheins einen Campingplatz und machen eine - für vom Reinheitsgebot verwöhnte Deutsche - schreckliche Erfahrung: Der Platzwart hat keine Lizenz, um richtiges Bier auszuschenken und verkauft daher nur alkoholfreies. Prinzipiell ist das ja nicht problematisch, aber diese Flüssigkeit hinterläßt, quasi gleich nach dem Einschenken, einen dreckig braunen Schaumrand im Glas, der - leicht speckig glänzend - auch aus einem Abwasserrohr eines der am Rhein gelegenen Chemiewerke hätte stammen können. So etwas Ekliges trinken wir nun selbst bei der großen Hitze nicht!
Dann geht es weiter nach Schaffhausen und zum Rheinfall, der sich aus unserer Sicht überhaupt nicht als Reinfall bezeichnen läßt. Es ist durchaus imposant und sehenswert, wie die Wassermassen durch die Felsen und Engen brausen; aber von der deutschen Seite soll der Anblick wohl wirklich nicht so berückend sein. Nun, unsere Fahrt geht weiter über Stein und Steckborn nach Konstanz, wo wir die Fähre über den Bodensee nach Lindau besteigen, denn dort wollen wir die restlichen Tage verbringen, bis unser Urlaub zu Ende ist.
Etwa eine Woche bleiben wir in Lindau und fahren nur noch relativ wenig mit dem Rad. Jetzt sind wir wieder mal faul und genießen die nette kleine Stadt, kaufen diverse Andenken und lassen es uns gut einfach gehen. Das Wetter spielt mit und die Woche wird richtig schön.
Am Sonnabend, dem 9. August geben wir schließlich die Räder bei der Bahn in Lindau auf (Selbstmitnahme geht nicht, da wir im Kurswagen nach Hause fahren müssen), um sie in der nächsten Woche vom Hamburger Hauptbahnhof wieder abholen zu können. Die ganztägige Bahnfahrt ist hart und entbehrungsreich, da es im Kurswagen nichts zu Essen oder zu Trinken gibt und die Aufenthaltszeiten auf den Bahnhöfen nicht ausreichen, um etwas einzukaufen.
In drei Ländern sind wir dieses Jahr mit unseren Rädern gewesen: In Deutschland, Frankreich und der Schweiz, und haben trotz des Mittelgebirges rund 650 km hinter uns gelassen. An die Steigungen im Schwarzwald haben wir uns rasch und gut gewöhnt und unsere Kondition ist - für Flachlandverhältnisse - atemberaubend.
Leider sind die Räder demoliert, als sie schließlich in Hamburg ankommen und die Bahn zeigt sich nicht besonders kulant, was die Übernahme von Reparaturen angeht. So kommt es, daß mein schönes grünes Peugeot-Rad eigentlich nie wieder so richtig tourentauglich wird und die nächste Rad-Urlaubstour fast 20 Jahre auf sich warten läßt. Aber hatten wir nicht vor fünf Jahren mal Segeln gelernt..?