© 2008 by www.benn-family.de

Sonntag, 5. August 2007   -   Greifswald: Historie pur

Kopfsteinpflasterstraße nach Greifswald

12 Kilometer Kopfsteinpflaster. Das ist der Preis, um von Reinberg nach Greifswald zu gelangen. In Mesekenhagen biegt der Ostseeradweg endlich von diesem Marterweg ab und führt über Groß Karrendorf und Neuenkirchen nach Greifswald.

Als geradezu herrlich empfinden wir den ruhig zu befahrenden Asphalt und es geht zügig voran. In Groß Karrendorf wird ein Feld gedüngt. Nichts Besonderes um diese Jahreszeit. Die Ernte ist eingebracht und der Boden wird für den Winter vorbereitet. Zwei Traktoren fahren im Versatz und verstreuen alten Mist. --- Sehr alten Mist. --- So alten Mist, daß wir plötzlich keine Luft mehr bekommen. Ist hier überhaupt noch Sauerstoff in der Luft? Wir sind kurz vorm Umfallen. Flach atmen und so rasch, wie möglich weg hier. Der Gestank ist ungeheuerlich.

In Leist 1 (das heißt wirklich so) haben wir es hinter uns - denken wir. Mit Wasser gurgeln, die Nase schnäuzen, dann müßte es gehen. Aber der Gestank bleibt in Nase und Hals. In Leist 2 (ja, auch das heißt so) dieselbe Prozedur: Gurgeln und Schnäuzen. Es wird etwas besser, aber so richtig hilft es nicht. Also weiter, es nützt ja nichts.

Greifswald

Schließlich ist Greifswald erreicht und wir fahren zur Jugendherberge, wo wir uns telefonisch angemeldet hatten. Selbst hier, rund eine Stunde später haben wir immer noch diesen Gestank in der Nase, als wir unsere Sachen in der Rezeption abstellen. Die Zimmer sind noch nicht bezugsfertig.

Eine weitere Stunde später ist der Geruch noch immer nicht weg und uns wird klar: Es sind die Kleidungsstücke, die so stinken. Also alle Klamotten in eine Plastiktüte gestopft, diese fest verknotet und dann ab unter die Dusche! So, jetzt können wir Greifswald anschauen!

Greifswald Marktplatz

Die Stadt ist schön erhalten und vermittelt Hansestadtatmosphäre, wenngleich etwas beschaulicher als Wismar oder Stralsund. Man merkt, daß hier weniger Touristen herkommen und gerade Semesterferien sind. Nicht unangenehm, wie wir meinen und genießen einen großen Eisbecher im Eiscafé auf dem Marktplatz. Der Dom St. Nikolai hat noch für ein paar Minuten geöffnet als wir ankommen und so nutzen wir die Chance, dieses große Bauwerk zu besichtigen. Die Marienkirche hat leider bereits geschlossen.




Montag, 6. August 2007   -   Kurs Usedomer Achterwasser

In Jugendherbergen steht man früh auf und daher kaufen wir bereits um 9:45 Uhr am Hauptbahnhof eine Rückfahrkarte für das nächste Wochenende. Wer weiß, ob wir auf Usedom ein Schönes-Wochenende-Ticket bekommen werden? Jetzt sind wir jedenfalls unabhängig vom Rückfahrtbahnhof.

Am Ryk entlang nach Eldena

Dann geht es am Ryk entlang zum Kloster Eldena, eine tolle Strecke! Eldena ist quasi die Urzelle der Stadt Greifswald und wurde von Caspar Davoid Friedrich auf einem seiner Bilder verewigt. Auch wir besichtigen ausgiebig die Ruine bevor wir weiter nach Kemnitz fahren. Dort biegen wir ab in Richtung Lubmin, das wir über Loissin und Vierow erreichen.

Klosterruine Eldena

Die Fahrt vorbei am ehemaligen KKW Greifswald in der Lubminer Heide ist langweilig, der Rest des Weges nach Freest durch den Wald viel angenehmer. Und während wir in Freest am kleinen Fischerhafen etwas essen, überlegen wir uns, nicht weiter dem Ostseeradweg zu folgen und nicht über Wolgast, sondern mit der Fähre Freest/Peenemünde auf die Insel Usedom zu fahren.

Gedacht, getan. Etwa zwei Stunden später rollen wir von Peenemünde über Karlshagen nach Zinnowitz. Die Campingplätze dort sind völlig überfüllt und wir ahnen Schlimmes, was die nächsten Tage bezüglich einer Bleibe angeht. Der nächste Ort ist Koserow. Auch hier gibt es einen Campingplatz, auch der ist total belegt. Aber für eine Nacht und für müde Radler hat man noch den VIP-Platz, einen Einzelplatz neben einem Unterstand, wie man ihn an Waldwegen findet. Hier können Camper ohne eigenen Tisch und eigene Stühle kochen und essen. Wir nehmen den Platz dankbar an und beschließen, uns morgen weiter umzusehen.

Am Abend gesellt sich auf den VIP-Platz noch ein weiterer Radler. Er ist Student aus München und hat bereits die Campingplätze der Insel abgeklappert. Alle seien völlig belegt und außer diesem ließe keiner auch nur noch einen Fußgänger auf den Platz. Jetzt denken wir ernsthaft darüber nach, was wir mit dem Rest der Woche machen wollen. Bleiben wir auf Usedom, heißt das hierbleiben. Fahren wir weiter auf den Oder-Neiße-Radweg, bedeutet es, richtig Strecke zu machen, um möglichst rasch wieder von der Insel herunterzukommen. Aber, ließe man uns überhaupt hier bleiben?



Dienstag, 7. August 2007   -   Usedom

Der VIP-Platz

Wir haben uns entschieden: Wir bleiben - und dürfen auch. Also werden wir den Rest des Ostseeradweges, nämlich den Teil bis zur polnischen Grenze, ohne Gepäck zurücklegen. Auch nicht übel. Und da das ja nun nicht gerade heute sein muß, beschließen wir, mit der Usedomer Bäderbahn nach Peenemünde zu fahren und das ehemalige Raketenversuchsgelände zu besichtigen.

Von der Ausstellung sind wir etwas enttäuscht. Wer kein absoluter Militaria-Fan ist, wird sich von den ausgestellten Flugzeugen nicht wirklich beeindrucken lassen, das Kraftwerk der Versuchsanlage ist zwar interessant, aber man kann sich nur noch schwer vorstellen, wie es damals wohl im Betrieb gewesen ist. Zu den ehemaligen Abschußanlagen kommt man nicht. Und die Ausstellung: Vieles wiederholt sich und wir haben den Eindruck, daß man mit der Hälfte der Fläche dasselbe hätte zeigen können, ohne die Besucher zu ermüden.

Mittags verbringen wir eine Zeit in Zinnowitz und essen dort etwas. Der Ort ist ein Touristenmagnet und die Seebrücke, wie auch die Promenade sind wirklich schön. In den hinteren Reihen sieht es dann öfter aus wie auf einem Ramschmarkt, gleich hinter der Grenze zu Tschechien.

Am Nachmittag nutzen wir das Tagesticket der Bäderbahn noch einmal richtig aus und fahren nach Wolgast. Diese Stadt ist erheblich kleiner als Greifswald aber fast ebenso schön erhalten und obwohl es schon später Nachmittag ist, nutzen wir die Chance, die Basilika St. Petri zu besichtigen, die für eine Reisegruppe noch geöffnet geblieben ist. Allerdings merkt man an vielen Stellen des Stadtbildes und der Kirchenausstattung, daß Wolgast nicht zur Hanse gehörte - die Pommernherzöge wollten es damals nicht - und daß dadurch der wirtschaftliche Aufschwung dieser Zeit ein ganzes Stück an der Stadt vorbei gegangen sein muß.



Mittwoch, 8. August 2007   -   Nach Polen?

Durch den Wald nach Bansin

Heute geben wir uns den Rest. Den Rest des Ostseeradweges nämlich! Dazu fahren wir zunächst durch den Küstenwald zwischen Koserow und Bansin. Und der hat es in sich: Bis zu 16% Steigung fordern uns bereits ohne Gepäck einiges ab. Mit Gepäck hätten wir wohl schieben müssen. Glücklicherweise ist es heute nicht so sehr warm.

An mehreren Campingplätzen kommen wir vorbei und sehen bestätigt, was unser Zeltnachbar (auch er ist geblieben) berichtet hat. Überall drangvolle Enge. Zum Teil ziehen sich die Wohnwagen über mehrere Kilometer an der Straße entlang. An einigen Stellen stehen sie so dicht, daß kein Mensch mehr dazwischen paßt. Ist das Urlaub? Alle 500 Meter ein kleines Sanitärgebäude. Was für ein Standard! Zelte werden von Wohnwagen fast erdrückt. Manche haben sich dagegen durch den Bau von Zeltburgen gewehrt. Die Eingänge mit Bierkastentürmen bewehrt. Transparente mit Aufschriften wie: "Porno Casting Place Hier" wecken in uns Erinnerungen an unruhige Nächte. Hierher bringt man uns nur mit vorgehaltener Schußwaffe. Das ist Urlaub auf unterstem Niveau.

Bansin 1.Reihe

Dann Bansin. Es ist, als ginge die Sonne auf. Ein größerer Kontrast ist kaum vorstellbar: Weiße Villen, feudale Hotels, großzügige Appartementhäuser. Wir genießen die Fahrt auf der Promenade und gelangen fast unbemerkt nach Heringsdorf. Hier ist alles noch ein wenig feiner. Selbst in der dritten und vierten Reihe hinter der Promenade. Es macht richtig Spaß, durch den Ort zu fahren und einfach nur zu schauen. Seebrücke Ahlbeck Ahlbeck beschließt schließlich unsere Bädertour. Auch hier eine schöne Promenade, wenngleich auch mit völlig unterschiedlichem Charakter zu Heringsdorf oder Bansin. So hat jedes der drei Bäder seinen eigenen Stil.

Wir gönnen uns auf der Seebrücke von Ahlbeck ein Alsterwasser und fahren dann weiter zur Grenze. Hier endet der Ostseeradweg in einem Chaos aus Verkaufsbuden und Menschenmassen, die nach Polen hinein wollen, bzw. solchen, die schwer bepackt mit allerlei Kram von dort zurück kommen.

Am Grenzübergang

Wir drehen um, denn nach Polen wollen wir nicht. Unser Ziel haben wir erreicht, der Ostseeradweg von Travemünde bis zur Grenze nach Polen ist befahren. Auf dem Rückweg zum Campingplatz machen wir einen kleinen Umweg und entdecken die wirklich sehenswerte Küste der Insel am Achterwasser bei Stagnieß und Loddin. Hier gefällt es uns mindestens ebenso gut, wie auf der Seeseite.



Donnerstag bis Samstag, 9. bis 11. August 2007   -   Faulsein bis zum Urlaubsende

Am Achterwasser

An diesen Tagen machen wir kleinere Fahrten in der näheren Umgebung - zum Beispiel zum Otto Niemeyer Gedenkatelier - und versuchen sogar mal einen Strandtag einzulegen, was allerdings nach zwei bis drei Stunden praller Sonne abgebrochen wird.

Rückfahrt mit der USB

Am 11. August fahren wir mit dem Schönes-Wochenende-Ticket der Bahn wieder nach Hause. Es war übrigens gut, das Ticket vorab besorgt zu haben, da es auf Usedom von der Bäderbahn zwar anerkannt wird, man kann es aber dort nicht kaufen.