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Dieinstag, 17. Juli 2007   -   MeckPomm, wir kommen!

Die Passat

Die Priwallfähre muß warten: Die Finnlines läuft aus. 163 Meter Schiff schieben sich langsam und hautnah an uns vorbei, um über 100 Fahrzeuge mit ihren Passagieren in 36 Stunden nach Helsinki zu verfrachten. Dann dürfen wir übersetzen. Unsere eigentliche Reise auf dem Ostseeradweg beginnt.

Das erste größere Ziel ist Schwerin. Dort wollen wir morgen sein. Nein, Schwerin liegt nicht am Ostseeradweg, aber wenn wir schon mal hier in Mecklenburg sind, wollen wir uns auch die Landeshauptstadt anschauen.

Ein weiteres Ziel ist Bössow. Wieso gerade Bössow? Nun, während ich letztes Jahr Norwegen unsicher gemacht habe, weilte meine bessere Hälfte mit ein paar Freundinnen genau dort. Einem abgelegenen Flecken inmitten weiter Felder und Hügel nördlich von Grevesmühlen. Und das soll ich mir nun auch anschauen…

Schöne Aussicht

Zunächst kämpfen wir uns über eine ganze Anzahl ziemlich steiler Hügel durch den Klützer Winkel. Oben bleiben, nicht absteigen! Das ist die Devise, auch wenn man manchmal das Gefühl hat, gleich käme die Lunge höchstselbst heraus, um zu erkunden, wo noch etwas Sauerstoff zu bekommen wäre.

Was die Fahrtroute angeht, wählen wir nicht den vorgegebenen Weg aus dem Bikeline-Führer sondern fahren immer direkt an der Küste entlang. Meist ist die Strecke sandig, manchmal auch asphaltiert und zum Teil mit Betonplatten aus DDR-Produktion belegt. Letzteres ist zwar nicht gerade der Hit, aber es gibt Schlimmers…

Großklützhöved

An der Huk Großklützhöved bietet sich eine großartige Aussicht. Es lohnt sich, dort, oberhalb des Steilufers, eine Rast einzulegen. Dann fahren wir nach Boltenhagen, wo wir auf dem Regenbogencamp bleiben.

Das Camp ist der Jahreszeit und dem Wetter entsprechend belegt und wir haben Sorge, überhaupt einen Platz zu bekommen. Aber die freundliche Frau an der Rezeption sagt, daß es die Philosophie des Unternehmens sei, Radlern mit Zelt immer einen Platz zu geben - zumindest für eine Nacht. Herz, was willst Du mehr?



Mittwoch, 18. Juli 2007   -   Auf Abwegen

Die Nacht in Boltenhagen ist trotz der Fülle und der Mischung aus Urlaubern und Durchgangsgästen auf dem Platz sehr ruhig und angenehm. Das Camp wird straff, aber äußerst zuvorkommend geführt! Randale, laute Radios, Dauercamperterror? Hier nicht!

Wohlenberger Wiek

Gut ausgeschlafen fahren wir also erst einmal zur ehemaligen Anlegestelle bei Wohlenberg. Wer Naturstrand liebt, findet hier das richtige Plätzchen. Anleger Wer den morbiden Charme aufgeworfener Betonplatten, ausgeweideter Elektroanschlußkästen und langsam verrostender Straßenlaternen aus den 1970er Jahren sucht, auch. Wir biegen ab und quälen uns die sandigen Anhöhen hinauf, bis wir nach Bössow abfahren können - ob sich das lohnt?

Nicht wirklich. Es sei denn, man liebt historisch grobes Kopfsteinpflaster und geradezu ohrenbetäubende Stille - oder findet es aufregend, hautnah mitzubekommen, wie in einem Ort langsam alles zu Ende geht. Keine Schule mehr, kein Kindergarten, kein Laden, keine Post. Selbst der Bus hält nur am Ortsrand. Ein trauriges Szenario.

Bössow

Etwas abgekämpft erreichen wir Grevesmühlen, die lokale Kreisstadt. Es ist Mittag und wir kaufen eine Cola und Kuchen. Leider ist der alt und trocken - offensichtlich von vorgestern. Eben fand ich es noch lustig, daß die Bäckerei genauso heißt, wie wir. Jetzt bin ich froh, daß hier keiner unseren Familiennamen kennt. Und da Liebe bekanntlich durch den Magen geht, haben wir keine gute Voraussetzung geschaffen, um an der Stadt selbst Sehens- oder gar Liebenswertes zu finden. Unser Reisetagebuch drückt es noch etwas krasser aus.

Nach Schwerin

Der weitere Weg nach Schwerin zieht sich weitgehend an der Hauptstraße entlang - wenn auch meist auf einem separaten Radweg. Das hat man eben davon, wenn man auf eigene Faust vom Ostseeradweg abbiegt. Nach gut 10 Kilometern fahren wir bei Seefeld von der Hauptstraße ab nach Moltenow und weiter über Alt Metheln nach Lübstorf am Schweriner See. Hier fährt es sich wieder recht angenehm. Gute Straßen ohne nennenswerten Verkehr. In Seehof, etwas weiter südlich gelegen, bauen wir schließlich das Zelt auf.



Donnerstag, 19. Juli 2007   -   Schwerin, ein lohnendes Ziel

Schweriner Schloß

Schwerin ist eine schöne und sehenswerte Stadt! Zumal, wenn - wie heute wieder einmal - die Sonne scheint! In die Stadt sind wir mit dem Bus gefahren und nun erkunden wir die Straßen und Gassen per pedes. Leider ist das Schloß nicht zu besichtigen, es wird renoviert. Aber der Schloßgarten ist auch einen Gang wert! Prächtig angelegt und mit herrlichen Ausblicken auf den Schweriner See fliegt uns die Zeit einfach davon.

Am späten Vormittag ergattern wir vor dem Schloß zwei Plätze in einem kleinen Panoramabus, mit dem wir eine Stadtrundfahrt unternehmen. Jetzt bekommen wir das bisher Gesehene noch einmal fachkundig erklärt, Schwerin Bahnhof fahren durch Stadtteile, in die wir als ungeübte Fußgänger wohl kaum gelaufen wären und können uns sogar noch ein paar Wege für der Nachmittag zurechtlegen.

Das allerdings wird nicht viel. Nach einem ausgedehnten Mittagessen in einer urigen Wirtschaft in einer der vielen Nebenstraßen der Schelfstadt, so heißt hier die Altstadt, sind wir doch ziemlich pflastermüde. Ein Wenig bummeln wir noch durch die Einkaufsstraßen und -passagen. Aber letztlich sind wir nicht böse, daß der Bus zum Campingplatz gerade ankommt, als wir am Hauptbahnhof sind. Hinein und retour nach Seehof.



Freitag, 20. Juli 2007   -   Zurück auf "den Pfad der Tugend"

Der Tag beginnt nicht gerade überzeugend: Innen ist das Zelt voller Mücken, außen finden sich Horden von Nacktschnecken. Die Nacht war sehr feucht. Der Kocher spielt nicht mehr mit und das Einpacken dauert lange. Gegen 10:30 Uhr geht's endlich los, läuft dann aber erstaunlich gut. Irgendwie immer bergab. Schwerin muß hoch gelegen sein.

Fahrt nach Wismar

Wir fahren am See entlang über Lübstorf nach Bad Kleinen, einem völlig vergessenen Flecken, von dem nur dereinst der Bahnhof für kurzfristiges Aufsehen gesorgt hat. Weiter geht es über Hohen Viecheln nach Dorf Mecklenburg. In diesem Dorf soll der Ursprung des Landes Mecklenburg sein, es ist sein Namensgeber. Allerdings ist hier eher der Hund begraben und nirgends eine Beschilderung zu irgendeinem historisch bedeutsamen Ort zu sehen. Also: Tief Luftholen, leichtes Kopfschütteln und einfach weiterfahren.

Wismar Innenstadt

Wismar ist schön! Wunderbare alte Häuser, Plätze und Straßen, die aussehen, als wären sie seit der Hansezeit nicht mehr verändert worden - was wohl im Wesentlichen auch so ist. Allerdings ist die Stadt dermaßen mit Touristen vollgestopft, daß es einfach nur nervt. Hinzu kommt, daß sich über den zentralen Platz "Am Markt" eine nicht enden wollende Autolawine quält, um dann genau dort zu parken, wo eigentlich der wunderbare Anblick des historischen Ensembles dominieren sollte. Uns drängt sich der Eindruck auf, daß die Stadtväter den Wert ihrer Stadt überhaupt nicht einschätzen können. Diesmal kein leichtes Kopfschütteln, sondern heftiges.

Wismar bei der Nikolaikirche

Wir fliehen durch die Fußgängerzone in Richtung Nikolai-Kirche, die wir ausgiebig besichtigen. Daß in der Kirche der Organist übt und wir den Rundgang mit musikalischer Begleitung durchführen können hebt unsere Stimmung ungemein! Die Kirche ist ein herrliches Bauwerk umgeben von alten Bäumen und den dazu passenden, sicher noch älteren Häusern. Hier ist die Stadt plötzlich wieder still und es sind nur wenige Touristen auszumachen.

Eigentlich ein Platz zum verweilen, aber da wir in Wismar keinen Platz in der Jugendherberge erhalten hatten und ein Campingplatz nicht auszumachen ist, müssen wir weiter gen Norden. Der Wind hat kräftig zugelegt und kommt - wie könnte es anders sein - von vorn. Nicht nur, daß wir dadurch am heutigen Nachmittag noch eine ziemliche Strapaze vor uns haben, nein, es kündigt sich damit auch ein Wetterumschwung an. Mit der hochsommerlichen Wärme wird es wohl bald ein Ende haben…

Fahrt entlang der Küste

Aber noch genießen wir die Sonne und den schönen Ausblick, den man vom Radweg über die Küste, die Insel Poel und die sich anschließende Halbinsel Wustrow hat. Der Wind wird zwar immer heftiger, aber wir kämpfen uns bis Pepelow durch und bleiben dort auf dem Campingplatz. Jeder Kilometer im Sonnenschein ist auch bei Gegenwind angenehmer als einer mit Rückenwind bei Regen.

Auf dem Campingplatz treffen wir dann auch noch Freunde aus dem Sportverein und verbringen einen netten Abend zusammen. Daß unser Kocher inzwischen gar nicht mehr funktioniert und auch der Lederriemen für das Zusammenhalten des Kochgeschirrs gerissen ist (was er nach etwa 45 Jahren auch ruhig hat tun dürfen), nehmen wir nicht so tragisch. Auf dem Platz gibt es einen Schnellimbiß und Teewasser bringen unsere Bekannten am nächsten Morgen aus ihrem Wohnwagen.



Samstag, 21. Juli 2007   -   Ein Festtag für Dampflokfans

Promenade in Kühlungsborn

Das Wetter hält sich noch. Zwar sind hohe Schleierwolken aufgezogen, aber der Wind hat wieder gedreht und schiebt uns gleichsam vor sich her. Nicht gerade unangenehm. Und da wir heute nur bis Kühlungsborn wollen, beträgt unsere Fahrzeit lediglich etwa 90 Minuten. Dann haben wir den Campingplatz am westlichen Ortseingang bereits erreicht.

Allerdings müssen wir uns für weitere 90 Minuten in eine Schlange von Wartenden einreihen, die alle in die Rezeption zur Anmeldung möchten. Es geht nur schleppend voran, weil angemeldete Camper vom Einlaßpersonal stets vorgelassen werden. Aber wir bekommen noch vor der Mittagspause, trotz völlig belegtem Platz ein Eckchen für unser Zelt zugewiesen. Nicht angemeldete Caravans oder Wohnmobile werden abgewiesen. Es zeigt sich wieder einmal, daß die Platzbetreiber auf dieser Route ein Herz für Radreisende haben.

Molli in Bad Doberan

Am Nachmittag fahren wir mit dem Molli, der alten Dampfeisenbahn von Kühlungsborn nach Bad Doberan. Die Fahrt ist für Eisenbahnfans eine Pflichtübung! In Bad Doberan selbst ist nicht viel los an diesem Sonnabendnachmittag, da sind wir doch etwas enttäuscht. Zwar besichtigen wir das durchaus sehenswerte Münster und gehen ein wenig in der Stadt umher, aber nach gut zwei Stunden Aufenthalt zieht es uns doch wieder zurück nach Kühlungsborn - natürlich mit dem Molli.



Sonntag, 22. Juli 2007   -   Schlafsacktag

Es regnet nicht. Nein, es schüttet wie aus Eimern! Obwohl wir unter hohen Nadelbäumen zelten, ist nicht einmal daran zu denken, die Nase aus dem Zelt zu stecken, ohne sofort tropfnaß zu sein. Nach etwa zwei Stunden beschließen wir, einen Schlafsacktag einzuschieben und den Platz um einen Tag zu verlängern - und wenn wir dafür schon naß werden, kaufen wir auch gleich noch ein paar Zeitungen. Gegen 15:30 Uhr hört der Regen langsam auf. Jetzt können wir wenigstens trocken zum Waschhaus gehen und Wäsche waschen.



Montag, 23. Juli 2007   -   Abschied von Mecklenburg

Schöne Aussicht

Der Regen ist fort, aber es ist nicht mehr so warm und auch nicht mehr so beständig, wie in der Vorwoche. Trotzdem: Der Wind kommt achterlich und schiebt uns an der Steilküste entlang durch Touristenhorden auf der Promenade von Kühlungsborn bis nach Heiligendamm. Danach schließt sich eine sehr schöne Strecke an, die oberhalb des Steilufers mit tollen Aussichten auf die See und durch einen geradezu verwunschenen Buchenwald bei Nienhagen nach Warnemünde führt. So wünscht man sich den Weg!

Geisterwald

Warnemünde ist auch wieder von Touristen völlig zugestopft. Mit den Rädern ist kaum durchzukommen. Man empfindet uns als lästig - was auf Gegenseitigkeit beruht. An den Imbißständen lange Schlangen, die Fischbrötchenstände haben zum Teil keine Brötchen mehr - alles kahlgefressen. Und es ist gerade erst einmal 12:30 Uhr.

Wir versuchen, in einem Campingfachgeschäft ein Ersatzteil für unseren Kocher zu bekommen und vertreiben uns die Zeit bis zum Ende der Mittagspause des Ladens um 14:00 Uhr mit der Besichtigung der Kirche und der Erkundung von Straßen ohne sich schiebende Menschenmassen. Leider haben wir mit unserem Anliegen keinen Erfolg: "Coleman Benzinkocher? Ja, kennen wir. Ist aber zu teuer. Geht hier nicht. Ersatzteil? Keine Ahnung. Anderes Geschäft? Keine Ahnung." Na schön, dann eben nicht. Müssen wir halt sehen, wie wir etwas Warmes in den Magen bekommen.

Warnemünde

Wir fahren zur Fähre über die Warnow und kommen so schnell zum neuen Yachthafen von Warnemünde. Riesig, sehr gepflegt und sehr leer. In direkter Nähe ist noch ein opulentes Areal mit Hotel und exklusiven Ferienwohnungen entstanden, das wir auch anschauen. Alles wirkt sehr teuer, sehr einsam und sehr steril. Die Touristen auf der anderen Seite des Flusses wohnen hier ganz offensichtlich nicht.

Weiter geht's. Unser Ziel ist der Campingplatz von Markgrafenheide. Der erste Eindruck vermittelt einen Hauch von Exklusivität: Ein großes Portal, eine gepflegte Rezeption, eine weniger ansprechende Anzahl von Schildern mit Regularien zum Verhalten auf dem Platz etc. etc. Aber wir sind ja in Deutschland. Da muß das wohl so sein. Und der Preis für die Übernachtung auf dem winzigen Eckplätzchen, das man uns in unmittelbarer Nachbarschaft von Zeltburgen und Bierkastenansammlungen zugestanden hat? Gepfeffert. Ob das gut geht heute Nacht? Aber bei den strengen Regularien…

Nun, es geht nicht gut. Die Regularien sind Papiertiger und mit der Nachtruhe wird es nicht viel. Meist "erfreuen" uns die Betrunkenen mit ihren Ghettoblastern, ab und an ist es auch der Ordnungsdienst, der sich zunächst weitgehend darauf beschränkt "Ruhe" in die Nacht zu brüllen, dann aber ab etwa 4:00 Uhr morgens laute Diskussionen mit den betrunkenen Zeltbewohnern führt.