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8. Segeltag: Wassereinbruch im Schiff

Am nächsten Morgen weht es noch ebenso, wie am Tag zuvor. Kaum, daß das Anemometer mal unter 7 Bft. anzeigt - und das im Hafen. Langsam geht uns das auf die Nerven. Hafentage sind schön, aber bitte nicht nur Hafentage! Deshalb muß es am Mittwoch dann endlich losgehen. Das DLF-Wetter prognostiziert West 5, abnehmend 4, rückdrehend, gute Sicht, und wenn man etwa 3 bis 6 Stunden für das Eintreffen dieses Wetters rechnet, könnten wir es bis nach Sønderborg schaffen. Und außerdem sind bislang nur 2 Bft. auszumachen...

Gesagt, getan. Segel hoch und Kurs 210° angelegt. Aber Dünung und Windsee ergeben eine kabbelige Kreuzsee, die uns zunächst nur langsam vorankommen läßt. Schließlich wird es dann doch besser und wir machen wieder gute 5 bis 6 Knoten Fahrt. Dafür wird die Sicht immer schlechter, der Wind frischt langsam auf und das Barometer fällt und fällt. Endlich haben wir die Huk Varnäs Hoved erreicht und versuchen aufzukreuzen. Aber das geht nicht, weil wir nicht hoch genug an den Wind kommen obwohl der jetzt stetig zunimmt. Also holen wir die Segel ein und werfen die Maschine an. Die Sicht hat sich auf etwa eine Seemeile verringert und es beginnt zu regnen. Direkt ins Gesicht.

Nachdem wir gegen 14:25 Uhr endlich die Einfahrt in den Als-Sund erreicht und die Tonne Snogbäk Hage passiert haben, wird plötzlich der Motor bei Normalgas immer langsamer, bis er nur noch kraftlos vor sich hindreht. Wir öffnen die Motorklappe unter dem Niedergang zur Kajüte: Uns spritzt Wasser entgegen. Ich hebe den Cockpitboden an: Alles voll Wasser. Ein Blick in die Kajüte: Der Teppich schwimmt schon.

An die Pumpen! Aber die gerade reparierte E-Pumpe reagiert nicht. Die Elektrik steht bereits kurz vor dem endgültigen Aus, es fehlen nur noch wenige Zentimeter bis die Batterien ganz unter Wasser liegen. Die wichtigen Kabel hat es schon erwischt und eben auch die Motorelektrik. Bleibt nur die Handpumpe in der Backskiste. Die funktioniert.

Aber jetzt fehlt eine Person für die Schiffsführung, denn für Einhandbetrieb ist das Schiff nicht ausgerüstet. Die Vorschoten sind zum Aufkreuzen bei gleichzeitigem Steuern viel zu kurz und ich kann mich hinter dem Steuer kaum bewegen, denn der Cockpitboden ist ja offen, um das Wasser auszupumpen. Das Schiff ist nicht zu regieren und das Wasser steigt trotz konstantem Pumpen weiter an.

Wind und Strom stehen jetzt direkt gegen uns. Die Segel schlagen und das Schiff wird immer träger in seinen Reaktionen, weil es immer schwerer wird, immer weiter eintaucht. Der Wind nimmt beständig zu und das Barometer fällt rapide. Hier habe ich keine Chance, Ruhe in das Schiff zu bekommen.

Daher suche ich nach einem geschützten Platz unter Land, wo wir das Boot auf Grund setzen und in Ruhe nach der Ursache des Wassereinbruchs suchen können. Der Anker ist schon klar. Aber als ein Platz gefunden ist, komme ich wegen der mangelnden Einhandbedienung dort einfach nicht hin.

Und das Wasser im Schiff steigt trotz konstantem Pumpen langsam aber konstant. Die Cosy reagiert kaum noch auf Manöver und wir treiben langsam wieder aus dem Sund hinaus. Unsere letzte Chance sehe ich darin, das Schiff vor den Wind zu bringen bevor wir wieder ganz aus dem Sund heraus sind, dadurch etwas Fahrt aufzunehmen - so das überhaupt noch geht - und mit dem hoffentlich erzielten Schwung so weit wie möglich an das nicht allzu ferne Ufer zu gelangen. Dann den Anker ausbringen, das Banana-Boot aufbauen, mit einer Leine an Land rudern und versuchen, das Schiff mit der an einem Baum befestigten Leine auf Grund zu ziehen. Abenteuerlich, ich weiß. Aber so etwas geht einem tatsächlich durch den Kopf... Was bliebe uns sonst? Sind wir erst einmal aus dem Als-Sund herausgetrieben, ist das Schiff verloren.

Während dieses Ringens fahren viele Yachten an uns vorbei. Einige Skipper schauen demonstrativ geradeaus, andere Crews beäugen uns neugierig. Auf die Idee, wir könnten Hilfe brauchen, kommt keiner... Da steuert plötzlich eine Yacht - die Gloria - zielsicher auf uns zu. Ich signalisiere Seenot, winke um Hilfe. Und wirklich: Sie drehen bei und helfen uns!

Unsere Cosy ist mittlerweile so gut wie manövrierunfähig, aber die Gloria kommt längsseits, um jemanden überzusetzen und uns auf den Haken zu nehmen. Jetzt können wir pumpen, steuern und gleichzeitig das Leck suchen!

Außerdem hatte die Gloria-Crew das "Spielchen" des Nichtbeachtens der anderen Yachten bereits einige Zeit beobachtet, war absichtlich nahe an uns herangekommen und hatte, nachdem klar war, wie es um uns steht, über Kanal 16 Kontakt mit einem Kümo aufgenommen, der daraufhin Kurs auf den Als-Sund genommen und eine starke Lenzpumpe in Aussicht gestellt hatte. Als uns der Kümo erreicht und ein Mitglied der Crew mit der - tatsächlich riesigen - Lenzpumpe winkend auf dem Vorschiff steht, können wir bereits dankend Entwarnung geben.

Denn nach relativ kurzer Suche hat sich herausgestellt, daß es die gerade reparierte, elektrische Lenzpumpe ist, die uns den Wassereinbruch beschert hat. Sie besitzt kein Rückschlagventil und der vermeintliche Schwanenhals, der ein rückwärtiges Eindringen von Wasser eigentlich verhindern sollte, ist so eingebaut, daß er wie kommunizierende Röhren wirkt - und damit natürlich genau das Gegenteil bewirkt.

Der Pumpenauslaß befindet sich, wenn das Schiff fährt, bereits unterhalb der Wasserlinie. Gemerkt hat das bislang niemand, weil einerseits die Pumpe ja nicht funktionierte und andererseits der Pumpenauslaß ohne Fahrt stets oberhalb der Wasseroberfläche lag. Damit konnte in der Tat kein Wasser eindringen, bis wir die reparierte Pumpe eben auch einmal während der Fahrt benutzt hatten. Nun, mit einem Knick im Schlauch und einer Schelle ist die Ursache des daumendicken Wasserstrahls, der uns fast versenkt hätte, behoben.

Um 16:00 Uhr lösen wir die Schleppverbindung. Der Motor läuft wieder und die Elektrik trocknet still vor sich hin und gegen 17:30 Uhr sind wir im Yachthafen von Sønderborg fest. Am Abend suchen wir die Gloria im Handelshafen von Sønderborg auf und danken unseren Helfern mit unserer letzten Flasche Whisky, worüber die sich sehr freuen - es wird ein ziemlich feucht-fröhlicher Abend. Als wir kurz vor Mitternacht leicht angeschlagen wieder zur Cosy zurückkehren, hat der Wind bereits auf 8 Bft. zugenommen und das Barometer fällt immer noch.


Der erste Herbststurm des Jahres

Kurz nach 3:00 Uhr wache ich auf, weil es im Schiff so eigentümlich still ist, während draußen der Sturm tobt - das Anemometer zeigt konstant 9 bis 10 Bft. an. Der Grund für die Stille: Das Wasser ist weg und wir hängen in den Festmachern. Der Wind aus Nord-Nordwest hat den Wasserstand um 1 ½ bis 2 Meter gesenkt, was zur Folge hat, daß der Yachthafen dort, wo wir liegen, fast trockengefallen ist. Also lassen wir ganz langsam und vorsichtig einen Festmacher nachdem anderen nach, bis wir "unten" angekommen sind. Dann schlafen wir weiter.

Am Morgen ist unser Anemometer am Ende. Bei 54 Knoten bzw. 28 m/sec. endet die Skala aber der Zeiger befindet sich ziemlich konstant dahinter. Da wir in der Nacht das Schiff haben "unten" ankommen lassen, kommen wir heute kaum "nach oben" auf den Steg - eine Leiter haben wir nicht mit. Und so vertreiben wir uns die Zeit damit, Kanal 16 mitzuhören, auf dem heute allerhand los ist, und verschiedene Wettermeldungen über das unerwartete und viel zu früh gekommene Herbststurmtief aufzunehmen.

Abends machen wir das Schiff für die Nacht sturmklar, d.h. wir verzurren die Segel zusätzlich und spannen die Fallen an den Wanten ab, damit sie nicht am Mast schlagen, denn auch für diese Nacht sind bis zu 30 m/sec. Wind angesagt - immerhin 11 Bft. Morgen, Sonnabend, soll der Wind auf 6 Bft. abnehmen und damit wird wohl auch das Wasser in den Hafen zurückkommen. Spätestens übermorgen müssen wir nach Wendtorf zurück. Allerdings haben wir dafür "Verstärkung" angefordert: Die Schwiegereltern kommen und meine bessere Hälfte kann mit unserem zukünftigen Vorschoter mit Bus und Pkw von Sønderborg nach Kiel zurückreisen. Selbst wenn der Wind abflaut, wird auf der Heimreise noch ziemlich viel Welle anstehen und das ist mir einfach zu risikoreich für die "beiden".


Letzter Segeltag: Ein heißer Ritt nach Hause

Die "Sonntagsfahrt" nach Hause ist eine richtige Rausche, bei der wir mit super Schräglage und 7 bis 8 Bft. über die Winstonsteine vor Schleimünde rauschen und auf dem Weg in die Wellentäler bis zu 10 Knoten auf der Speedanzeige ablesen. Als wir schließlich gegen 16:00 Uhr die Ansteuerung von Kiel-Wendtorf erreicht haben und den Motor anmachen wollen, gibt der außer ein paar kleinen weißen Rauchwölkchen nichts mehr von sich. Es war ihm wohl doch alles ein wenig naß in den letzten Tagen. Wir laufen - wie die Dänen - unter Segeln bis in die Box im Hafen. Um 16:15 Uhr ist auch dieses letzte Abenteuer überstanden.